Diversität und SP – Eine kurze Ansprache an der Jahresfeier

Herzlich willkommen im Roten Haus beim Hubertus, wo ich seit 15 Jahren wohne. Zuvor war ich 16 Jahre lang schräg gegenüber zu Hause. Seit ich als einjähriger Knirps in die Schweiz gekommen bin, lebe ich in Albisrieden. Inzwischen sind 31 Jahre vergangen, und mein Herz schlägt längst zürcherisch.

Trotzdem bleibe ich ein Limmatbueb mit Migrationshintergrund. Dem Mantra der rechten Seite zum Trotz bin weder ich noch sind andere Migrantinnen und Migranten nur Schmarotzer, die lediglich das Sozialsystem ausnutzen möchten. Nein, wir haben uns längst integriert und uns in allen Bereichen von Wirtschaft, Politik und Kultur etabliert. Unsere charmante Gastgeberin Mantha Zimmermann ist ein gutes Beispiel dafür. Sie hat den Sprung in die Selbständigkeit gewagt und ist heute mit ihrem Kochstudio erfolgreich. Wie Mantha haben auch zahllose andere Migrantinnen und Migranten ihren Weg gemacht und bereichern mit ihren Ideen und Aktivitäten unser Leben.

 

Die Integration in unserem Land ist eine Erfolgsgeschichte, die ohne die Sozialdemokratie nicht möglich gewesen wäre. Dank der SP konnten sich Fremdenhass und Rechtspopulismus in der Schweiz nicht wie in anderen Ländern festsetzen und die Gesellschaft vergiften. Auch im Kreis 9 engagieren sich zahlreiche Genossinnen und Genossen für Menschen mit Migrationshintergrund und tragen so wesentlich zur Vielfalt in der Limmatstadt bei. Ausschliesslich Rösti und Bratwurst und kein Curry, Sushi und Tabbouleh auf den Speisekarten wär ebenso öde, wie wenn man das Didgeridoo, das Karambolespiel und den Tango zum Schutze von Alphorn, Jassen und Schwingen «ausweisen» würde.

 

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten engagieren uns nicht nur für Vielfalt und Chancengleichheit, sondern auch für die Gleichstellung von Frau und Mann. Zwar sind wir Erdenbürger inzwischen in der Lage, Menschen auf den Mond zu schicken und das menschliche Genom zu entschlüsseln, aber das mit der Gleichstellung ist noch immer eine Baustelle. An dieser Stelle verzichte ich auf eine lange Aufzählung dessen, was wir hierzulande in diesem Jahr erreicht haben, möchte aber doch ein Ereignis herausgreifen, weil es ohne sozialdemokratisches Engagement nicht möglich gewesen wäre: die gleichzeitige Wahl von zwei Bundesrätinnen. Überall sprach man am 5. Dezember von einem historischen Tag. Aber um ehrlich zu sein, war es mehr als nur an der Zeit. 50 Jahre nach Einführung des Frauenstimmrechts wäre es einfach nur peinlich gewesen, wenn die Bundesversammlung einmal mehr einen Mann vorgezogen hätte. Das Witzige an diesem Ereignis ist, dass die SP nach ihren jahrelangen Bemühungen um mehr Frauenpower in der Regierung nun zwei bürgerlichen Frauen gleichzeitig den roten Teppich in die oberste Behörde ausgerollt hat.

 

Natürlich definieren wir uns neben dem Geschlecht und der Herkunft auch über weitere Merkmale. Eines davon ist die Behinderung. Die Mehrzahl muss sich erst im Alter damit auseinandersetzen, andere kommen bereits damit zur Welt oder werden durch einen Unfall oder eine Krankheit in diese neue Situation katapultiert.

 

In der Schweiz überwiegt noch immer die Vorstellung, dass Betroffene weitgehend hilflos sind und versorgt werden müssen. Deshalb hat man diesen Bereich gern den Sozialpolitikern und -politikerinnen überlassen. Das Parkieren des Themas «Behinderung» in der Sozialpolitik ist ein Grund dafür, dass die im 20. Jahrhundert aufgebauten Strukturen des Behindertenwesens bis heute wenig Spielraum für emanzipatorische Bestrebungen von Menschen mit einem Handicap lassen.

 

Mit dem Inkrafttreten des Behindertengleichstellungsgesetzes (BehiG), der Einführung des Assistenzbudgets und der Ratifizierung der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (UNBRK) wurden die Weichen für die Inklusion von Menschen mit Behinderung in die Gesellschaft gestellt. Leider sind die Erfolge dieser drei Meilensteine auch 14 Jahre nach Einführung des BehiG und vier Jahre nach der UNBRK noch recht überschaubar.

 

Die zum Teil absurden Diskussionen im Zusammenhang mit dem Referendum in Sachen Versicherungsspione sowie die Revisionen der Ergänzungsleistungen und der Invalidenversicherung haben uns vor Augen geführt, wie wichtig es ist, dass sich Menschen mit Behinderung als Mandatsträger und -trägerinnen selbst in die Debatten einbringen. Solange wir uns heraushalten, überlassen wir jenen das Feld, die unsere Anliegen nur zu oft auf die lange Bank schieben. Nur wenn sich die Betroffenen selbst in den Prozess einschalten, können sie auch mehr bewegen.

 

Aus diesem Grund setze ich mich seit 2016 innerhalb der SP auf verschiedenen Ebenen für die politische Partizipation von Menschen mit Behinderung ein, und zwar unabhängig davon, ob sie nun auf einen Rollstuhl, einen Blindenhund oder sonst eine Art der Unterstützung angewiesen sind. In der Arbeitsgruppe «Förderung Diversität», die letztes Jahr von der kantonalen Geschäftsleitung gegründet wurde und die ich präsidiere, erarbeiten wir günstige Rahmenbedingungen für Menschen mit Handicap, die in der Politik aktiv mitwirken möchten. Allerdings sind wir uns bewusst, dass wir den Wettbewerb untereinander nicht ausschalten können, weil Politik wie alles andere Wettbewerb ist. Doch das hält uns nicht davon ab, auch hier für gleich lange Spiesse zu kämpfen.

Mit meinem Engagement möchte ich meinen Teil dazu beitragen, dass die SP auch bei der Emanzipation von Menschen mit Behinderung eine Vorreiterrolle einnimmt.

 

Ich bedanke mich beim Vorstand und insbesondere beim Präsidium für die tolle Unterstützung. Denn ohne sie könnte ich mit meiner Körper- und Sprechbehinderung kaum Politik betreiben.

 

Die Zusammensetzung des Vorstands ist denn auch ein gutes Beispiel dafür, wie die SP9 die Vielfalt der Menschen fördert. Und gerade weil wir eine zusammengewürfelte Truppe sind, in der es Philipps und Kadires, Klassikfans und Hardrocker und solche mit und ohne Handicap gibt, haben wir einiges erreicht. Herzlichen Dank!

 

Ich wünsche allen viel Power fürs 2019!