(Internationale) Solidarität

Seit fast Anfang Jahr geht der Weg von uns Gemeinderät*innen ins Rathaus jeden Mittwoch durch eine Demonstration.

Am Präsentensten sind die Jugendlichen, welche für ihre Zukunft demonstrieren, also den Klimanotstand. Am Zweihäufigsten sind es die Kurd*innen, die sich unter anderem für die Freilassung der Bürgermeisterin von Diyarbakir, Gültan Kisanak einsetzen. Und vereinzeln waren noch die Demostrationen des Vereins queerAltern und der IG Leben im Brunaupark. Erstere mit der Forderung nach Dienstleistungsangeboten für queere Menschen in den Bereichen Altern, Wohnen und Generationenbeziehungen und letztere wehren sich gegen den unsinnigen Abriss ihres Lebensraumes in der Brunau durch die Credit Suisse.

 

Am Anfang ging ich mit einem recht beklemmenden Gefühl an den sehr lauten Demonstrant*innen vorbei. Ich hatte irgendwie ein schlechtes Gewissen. Tun wir nicht genug für unsere Wähler*innen, sodass sie vor unserem Parlament demonstrieren müssen? Sie waren sehr laut, aber die dummen Sprüche von Mitparlamentariern (ja, wieder mal ohne Stern) konnten sie nicht übertönen. Doch genau diese Sprüche immer wieder einerseits – und andererseits die Voten auf der linken Ratsseite, welche den Sinn und Zweck der Demonstration erklären (ich bin stolz, dass ich für drei dieser Gruppierungen solche Voten gehalten habe!) gaben mir je länger je mehr das Gefühl, dass ich erhobenen Hauptes ins Rathaus gehen kann. Die Linken haben die Motion zur Festlegung einer stringenten Klimapolitik in der städtischen Verfassung mit dem Ziel einer Reduktion des CO2-Ausstosses auf Null bis ins Jahr 2030 initiiert und eingereicht. Wir sind es, die sich für die internationale Solidarität einsetzen und die Kurd*innen in ihrem Kampf unterstützen. Bei uns rennt man offene Türen ein, wenn der eigene Lebensraum von der Zerstörung bedroht ist. Und Minderheiten wie die queeren Senior*innen finden bei uns Gehör für ihre Anliegen.

 

Das Demonstrieren gehört zur linken Politik in diesem Land. Friedlich, farbenfroh, laut und fair. Mit demonstrieren wird auf etwas aufmerksam gemacht, was sich verbessern soll. Da kommt es mir schon merkwürdig vor, wenn nächsten Montag das pure Gegenteil demonstriert wird: Bürgertum von Männern in Strumpfhosen auf Pferden, welche sich von Frauen am Strassenrand Blumen zuwerfen lassen. Irgendwie pervers…

 

Darum bin ich froh, dass wir jeden Mittwoch unseren Weg durch Menschen bahnen müssen, welche sich für Schwächere, Minderheiten und Opfer einsetzen. Im Wissen, dass sie etwas bewirken, ob effektiv oder solidarisch. Froh, dass die Menschen nicht aufgeben und ihre Hoffnung auf die bessere Welt mit Fahnen und Bannern aufrechterhalten. Wir solidarisieren uns mit ihnen, sind in Gedanken bei ihren Familien in Ländern, wo es den Menschen nicht so gut geht und setzen Zeichen in unserer politischen Arbeit. Danke Euch, liebe Demonstrant*innen, für Euren unermüdlichen Einsatz und Eure Ermahnung!

 

Dieser Artikel ist in der Rubrik «Rote Gedanken» im P.S. vom 5. April erschienen.