ZÜRICH – EINE LEBENDIGE STADT ODER ZUVIEL EVENTITIS?

Am 2. Apéritif-Polit-Podium diskutierten im Restaurant Volkshaus die Gäste der SP Stadt Zürich unter der Leitung von Tobial Keller (Radio 24) über das Nachtleben und Grossveranstaltungen in Zürich.

 

Rolf Vieli (Projektleiter Langstrasse Plus; links im Bild): Ich bekomme ständig Reklamationen über Belästigungen und Verunreinigungen – kann sich denn das Party-Volk alles erlauben? Sogar Gewerbetreibende, die vom Abendbetrieb profitieren, sind der Meinung, dass die Grenze langsam erreicht ist. Solange die Grossanlässe so gut organisiert sind wie die Streetparade, dann sind sie nicht weiter problematisch. Schwieriger wird es mit den schlecht organisierten, kleineren Anlässen. Zudem führt die fehlende soziale Kontrolle gewissen Besuchern dazu, dass sie alle Hemmungen verlieren. Hier müssten die Clubbetreiber in mehr Verantwortung genommen werden, denn es gibt vorbildliche Besitzer, die ihre Kundschaft im Griff haben.

 

Anselm Burr (ehemaliger Pfarrer offener St. Jakob; links im Bild): Zürich ist eine gesunde, lebendige Stadt. Und eine Stadt braucht ein aktives Kulturleben. Es gibt immer jemand, der sich an etwas stört. Im Allgemeinen scheint die Toleranz in der Gesellschaft abgenommen, vielleicht liegt dies an den unsicheren Zukunftsaussichten. Ich glaube jedoch an die Lernfähigkeit der Menschen und daran, dass die momentanen Probleme zusammen gelöst werden kann. Wichtig ist, dass alle Mitglieder der Gesellschaft gemeinsam die Verantwortung übernehmen und mit Zivilcourage auf Missstände hinweisen. Nur mit Gesetzen und Flaschenpfand kann und soll sich niemand vom Anstand freikaufen.

Joel Meier (Präsident Street Parade; rechts im Bild): Viele Aussenquartiere verfügten in den letzten Jahrzehnten Ausgangszonen, meistens in alten Industriegebieten wo sich niemand an den Emissionen störte. Diese Gebäude wurden abgerissen und „beruhigt“. Jetzt muss man sich nicht wundern, dass sich nun in gewissen Orten eine Konzentration bildet, die zum Teil problematisch ist. Zudem werden die Agglomerationen zunehmend zu Schlafstätten ohne sozio-kulturelles Leben, wo sich die Bewohner nicht mehr kennen – es ist nur logisch, dass diese Menschen auch dort in den Ausgang gehen wo sie arbeiten und Menschen kennen. Schlussendlich ist dies ein raumplanerisches Problem, dass Wohnraum und Ausganggebiete sich gegenseitig konkurrenzieren.

Andrea Sprecher (Co-Präsidentin SP Stadt Zürich; rechts im Bild): Wer in der Innenstadt lebt, muss damit rechnen, dass um zehn Uhr nicht Totenstille ist. Anlässe wie die Streetparade sind mittlerweile Tradition und gehören zu Zürich. Die grossen Veranstaltungen ziehen nun mal ins Stadtzentrum und nicht nach Schwamendingen. Jedoch habe ich Erfahrungen gemacht, dass viele Nachtgänger sich ihrer eigenen Emissionen nicht bewusst sind. Ein klärendes Wort erreicht hier meist schon viel. Es gibt daher noch viele Möglichkeiten an politischen Massnahmen und Bewusstseinsbildung, bevor die grosse Verbotskeule geschwungen werden muss.